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BAG: Urlaub verfällt bei Langzeiterkrankung auch ohne Hinweis

BAG

Ist der Arbeitgeber seinen Aufforderungs- und Hinweispflichten nicht nachgekommen, erlischt der gesetzliche Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, sofern es dem Arbeitnehmer, allein weil er bis zu diesem Zeitpunkt durchgehend krankheitsbedingt arbeitsunfähig war, nicht möglich war, den Urlaub (vollständig) zu nehmen.

BAG, Urteil vom 07.09.2021 – 9 AZR 3/21 (A)

Krank bis zur Beendigung

Ein Kläger verklagte seinen Arbeitgeber auf Urlaubsabgeltung. Er war im November 2015 erkrankt und dadurch bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (31.12.2019) arbeitsunfähig. Arbeitsvertraglich stand ihm ein jährlicher Anspruch von 30 Urlaubstagen zu. In den Jahren 2016 und 2017 konnte der Kläger krankheitsbedingt keinen Urlaub nehmen. Die Beklagte hatte den Kläger weder aufgefordert, Urlaub zu nehmen noch ihn darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums verfallen kann.

BAG: Urlaub objektiv unmöglich

Das BAG verwehrte dem Kläger Urlaubsabgeltung für die Jahre 2016 und 2017. Die Urlaubsansprüche seien jeweils 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres verfallen.

Das Unionsrecht setze zwar auch im Falle der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordere, seinen Urlaub zu nehmen und ihm klar und rechtzeitig mitteile, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums verfalle, wenn er ihn nicht beantrage.

Wenn sich allerdings im Nachhinein herausstelle, dass es objektiv unmöglich gewesen wäre, den Arbeitnehmer durch Mitwirkung des Arbeitgebers in die Lage zu versetzen, den Urlaubsanspruch zu realisieren, stünde die unterlassene Mitwirkungspflicht dem Verfall nicht entgegen. Dies sei immer dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer durchgehend bis zum 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgende Kalenderjahr arbeitsunfähig sei.

Pflichtverstoß nicht kausal

Das BAG stellt damit klar, dass es für Urlaubsansprüche, die (vollständig) während der langfristigen Arbeitsunfähigkeit entstanden sind, bei dem Verfall 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres auch dann verbleibt, wenn der Arbeitgeber die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten während dieser Zeit nicht erfüllt. Dies ist auch folgerichtig, da in diesem Fall nicht die unterlassene Mitwirkung des Arbeitgebers, sondern die Arbeitsunfähigkeit kausal für die fehlende Möglichkeit des Arbeitnehmers ist, den Urlaubsanspruch zu realisieren.


 


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