LAG Schleswig-Holstein zu Sinn und Unsinn der Teilnahme am Gütetermin

LAG Beschluss

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat mit Beschluss vom 13.11.2024 eine Neumünsteraner Richterin in ihrer Entscheidung bestätigt, der im Gerichtstermin nicht persönlich erschienenen Klägerin ein Ordnungsgeld von 100 EUR aufzuerlegen. Die Klägerin war auf anwaltlichen Rat hin trotz persönlicher Ladung nicht erschienen und konnte ihr Fernbleiben nicht ausreichend entschuldigen.

Ein frustrierender Gütetermin

Anlass der Entscheidung war eine Kündigungsschutzklage. Die Klägerin hatte durchschnittlich 600 EUR im Monat verdient und war nach etwas über einem Jahr ordentlich gekündigt worden. Das Arbeitsgericht Neumünster hatte einen Termin für die Güteverhandlung anberaumt und angeordnet, dass beide Parteien zur Aufklärung des Sachverhalts und zur gütlichen Einigung zum Gütetermin persönlich erscheinen müssen.

Im Gütetermin war die Klägerin selbst nicht da und von der von ihr bevollmächtigten Kanzlei war auch niemand persönlich erschienen. Für sie erschien nur ein Rechtsanwalt (im Folgenden: Klägervertreter), der von ihrem eigentlichen Prozessbevollmächtigten als unterbevollmächtigter Vertreter eingesetzt worden war. Der Geschäftsführer der Beklagten hingegen war persönlich erschienen und erklärte im Gütetermin, er verstehe die ganze Kündigungsschutzklage nicht.


 

Hintergrund

Hintergrund der Kündigung sei gewesen, dass die Klägerin mehrfach mitgeteilt habe, sie müsse jetzt morgens ihren Sohn zur Schule bringen und könne daher die vereinbarten Arbeitsstunden nicht mehr leisten. Sie habe selbst mehrfach um eine Kündigung gebeten. Dann habe die Beklagte wunschgemäß ordentlich gekündigt, damit die Klägerin wenigstens Anspruch auf Arbeitslosengeld habe.

Der Klägervertreter erwiderte darauf nichts. Er ließ nur ausrichten, die Hauptbevollmächtigten der Klägerin verlangten für die Klägerin 5.000 EUR Abfindung sowie eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst zum Jahresende.

Die Vorsitzende Richterin stellte klar, dass sie einen derartigen Vergleichsvorschlag unter keinem Gesichtspunkt unterstützen könne. Dafür sei das Arbeitsverhältnis zu kurz und das Gehalt zu niedrig gewesen.

Daraufhin erklärte der Geschäftsführer der Beklagten sich bereit, die Kündigung zurückzunehmen und bot der Klägerin die Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Konditionen an.

Der Klägervertreter erwiderte, dass er selbst zu dem Weiterbeschäftigungsangebot keine Erklärung abgebe, dieses Angebot aber den Hauptbevollmächtigten weiterleite.

Die Vorsitzende Richterin am Arbeitsgericht Neumünster setzte der Klägerin eine einwöchige Frist, ihr Nichterscheinen im Termin zu entschuldigen, und behielt sich die Verhängung eines Ordnungsgeldes vor.


 

Unentschuldigtes Fehlen kann sanktioniert werden

Die Klägerin versuchte ihr Fernbleiben damit zu entschuldigen, ihr Anwalt habe ihr mitgeteilt, sie müsse den Termin nicht persönlich wahrnehmen. Sie habe doch ihren Anwalt über alle relevanten Tatsachen informiert, außerdem habe sie einen Vergleichsvorschlag vorgelegt. Ihr Fernbleiben habe keine prozessualen Auswirkungen gehabt.

Dem Arbeitsgericht Neumünster genügte das nicht. Es setzte daraufhin gegen die Klägerin wegen des Nichterscheinens im Termin ein Ordnungsgeld in Höhe von 100 EUR fest. Gegen diesen Beschluss legte die Klägerin sofortige Beschwerde beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein ein.


 

LAG Schleswig-Holstein: Ordnungsgeld zu Recht verhängt!

Das Landesarbeitsgericht hat die Verhängung des Ordnungsgeldes von 100 EUR sowohl dem Grunde nach als auch der Höhe nach bestätigt.

Das Landesarbeitsgericht arbeitete heraus, dass ein Ordnungsgeld wegen Nichterscheinen einer persönlich geladenen Partei nicht in jedem Fall verhängt werden darf. Ein Ordnungsgeld ist möglich, wenn die Sachverhaltsaufklärung und das Vorantreiben des gerichtlichen Verfahrens durch die Abwesenheit pflichtwidrig behindert wird. Zweck des Gütetermins im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist nicht nur die Erörterung der Frage, ob eine gütliche Einigung in Betracht kommt. Die Güteverhandlung dient gerade auch der Sachverhaltsaufklärung. Nach der Auffassung des LAG genügt es für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes im Gütetermin, wenn aufklärungsbedürftige Fragen nicht erörtert werden können und dadurch die sachgerechte Vorbereitung des Kammertermins erschwert wird.

Genau das sei hier der Fall gewesen: Wäre die Klägerin im Gütetermin anwesend gewesen, so hätte sie sich zu dem Vortrag der Gegenseite äußern können, die Kündigung sei auf ihren Wunsch hin ausgesprochen worden. Vor allem hätte sie direkt klären können, ob sie mit dem Angebot der Gegenseite, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, einverstanden ist oder nicht. Gerade wegen des Nichterscheinens der persönlich geladenen Klägerin konnten diese wesentlichen Fragen nicht im Gütetermin geklärt werden. Außerdem könne die Klägerin sich nicht damit entschuldigen, ihr Anwalt habe ihr geraten, nicht zu erscheinen. Es sei auch für einen Laien klar, dass eine gerichtlich angeordnete Pflicht zum persönlichen Erscheinen nicht von einem Anwalt aufgehoben werden könne. Das Arbeitsgericht habe auch sein Ermessen ausgeübt, indem es das Ordnungsgeld auf 100 EUR festgesetzt habe. Beim erstmaligen unentschuldigten Nichterscheinen einer Partei ist üblicherweise ein Ordnungsgeld von 200 EUR angemessen.


 

Fazit

Der eigentliche Lerneffekt dieser Entscheidung hat überhaupt nichts mit den 100 EUR Ordnungsgeld zu tun, sondern ist ein taktischer: Nirgendwo im arbeitsgerichtlichen Verfahren menschelt es so sehr wie in der Verhandlung. Lassen Sie sich davon nicht einschüchtern, aber nutzen Sie das für Ihre Zwecke. Wer sich in der Güteverhandlung nicht vergleichen will, braucht sich nicht zu vergleichen. Wer sich in der Sache nicht äußern will, braucht sich nicht zu äußern. Ein Gütetermin ist allerdings vollkommen sinnentleert, wenn aus Ihrem Haus trotz Ladung niemand erscheint, der sich überhaupt vergleichen oder äußern kann. Der Gütetermin ist nicht lediglich ein verfahrensrechtlich zwingend notwendiger Zeitfresser. Er ist oft die günstigste Gelegenheit für eine schnelle, lebensnahe und pragmatische Lösung in einer andernfalls langwierigen, risikoreichen oder sogar rechtlich völlig aussichtslosen Rechtsstreitigkeit. Wer sich dieser Chance von Vorneherein verschließt, indem er nicht erscheint und einen unbeteiligten Dritten vorschiebt, der verstimmt damit vor allem das Gericht. Und die Entscheidung in der Sache trifft – aller KI-Testläufe der Justiz zum Trotz – noch immer der Mensch, der Sie zum Gütetermin eingeladen hat.


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